In allen Unternehmen hat Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Über 80 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen das Thema auch persönlich sehr am Herzen liegt. Zwar werden unternehmensabhängig unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, trotzdem haben mehr als 60 Prozent der Familienunternehmen Nachhaltigkeit in den eigenen Unternehmenswerten verankert, etwa 50 Prozent definieren eine explizite Nachhaltigkeitsstrategie.
Es zeichnet sich klar ab: Familiengesellschafter:innen gestalten Nachhaltigkeitsstrategien zunehmend persönlich mit und schaffen durch dedizierte Budgets Raum für die wirtschaftliche Berücksichtigung ihrer Nachhaltigkeitsziele. Sie nähern sich dem Thema dabei klar wertegetrieben. Nachhaltigkeit wird überwiegend im Hinblick auf die eigene generationale Verantwortung verstanden: Heute soll so gewirtschaftet werden, dass bestehende Freiräume im unternehmerischen Handeln für zukünftige Generationen beibehalten werden können. Entsprechend kreisen die Beweggründe zu nachhaltigem Wirtschaften vornehmlich um Fragen der gesellschaftlichen Kontinuität und zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Nachhaltigkeit wird als Chance gesehen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Sie wird als Gelegenheit wahrgenommen, das Unternehmen und einzelne Produkte weiterzuentwickeln und bei potenziellen Fach- und Führungskräften attraktiver zu werden.
Viele Familienunternehmen haben die Notwendigkeit von nachhaltigem Wirtschaften also grundsätzlich erkannt. Konkret daran messen lassen sich aber die wenigsten. Weniger als die Hälfte der befragten Familienunternehmen verankern Nachhaltigkeit demnach in den Zielvereinbarungen ihrer Führungskräfte. Außerdem verbinden laut Studie lediglich 40 Prozent der Familienunternehmen ihre Strategie mit konkreten Vorhaben. Nur ein Drittel hat eine Nachhaltigkeitszertifizierung abgeschlossen. Und vier von zehn Unternehmen verzichten sogar darauf, über Fortschritte öffentlich zu berichten. Dort, wo Nachhaltigkeitsvorhaben definiert sind, bewegen sich diese meist entlang von drei wesentlichen Aktionsfeldern: Im Aktionsfeld Umwelt standen Energieeffizienz, ein schonender Umgang mit Wasser und eine Erhaltung der Biodiversität im Vordergrund. Im Aktionsfeld Soziales wurden die Gesundheit am Arbeitsplatz, faire Arbeitsbedingungen und Verbraucherrechte als besondere Schwerpunkte genannt. Im Aktionsfeld Governance waren Transparenz in der Kommunikation, solide Finanzen und die Unternehmensführung besonders wichtig. Eine geringere Rolle spielt überraschend der Klimaschutz: Emissionsfreiheit und CO2-Neutralität gelten als außerordentliche Herausforderung, auf die die wenigsten eine Antwort gefunden haben. Nachhaltigkeit im Verborgenen – eine Einschätzung der Ergebnisse
Die Zahlen zeigen: Dem Großteil der Familienunternehmen scheint noch nicht vollkommen bewusst zu sein, dass Nachhaltigkeit bereits heute ein wesentlicher Business-Faktor ist. Dabei sind viele Familienunternehmen gedanklich bereits sehr viel weiter, als es die Zahlen belegen können. Sie zeigen ehrliches Interesse an vielen Aspekten der Nachhaltigkeit, von Energieeffizienz über Biodiversität bis zu fairen Arbeitsbedingungen und Transparenz in der Kommunikation. Nicht wenige gehen in ihrer Tätigkeit im Sinne der Nachhaltigkeit bereits über die regulatorischen Anforderungen hinaus.
Der Grund für die Zurückhaltung bei messbaren Größen demgegenüber ist die Sorge vor öffentlichem Rechtfertigungsdruck und die Befürchtung, Nichtregierungsorganisationen gegen sich aufzubringen. Der öffentliche Diskurs zu Themen der Nachhaltigkeit wird mitunter sehr aggressiv und undifferenziert ausgetragen. In dieser Umgebung vermuten viele Familienunternehmen, in ihrer Struktur auf Harmonie und Fairness ausgelegt, keine produktiven Beteiligungsmöglichkeiten finden zu können. Dabei spielt Nachhaltigkeit eine Rolle in allen Geschäftsprozessen, vor allem in Forschung und Entwicklung, in der Lieferkette und in der Öffentlichkeitsarbeit. Die Zeit von CSR-Projekten, die nur am Rande mit der eigenen Tätigkeit zu tun hatten, ist vorüber. Weniger stark fließen Aspekte der Nachhaltigkeit bisher noch in Backoffice-Prozesse, also z. B. IT und Finanzplanung, ein. In diesem Bereich gibt es allerdings auch unternehmensfremde Herausforderungen: Es existieren sehr verschiedene Standards und Zertifizierungsverfahren, und im besonderen Kontext der Familienunternehmen hat sich noch kein Industriestandard oder Zertifikat etabliert.
Insgesamt zeigen sich Familienunternehmen trotz aller transformativen Herausforderungen auf einem guten Weg und mit den richtigen Absichten. Gelingt es den Familienunternehmen, sich aus ihrer Wertegetriebenheit zu lösen, kann Nachhaltigkeit Chance und Entwicklungstreiber sein.