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Personalvorstand

Menschliche Führungspersönlichkeiten – ein Anspruch, der alle Generationen eint

Der viel beschworene Generationenkonflikt in der Arbeitswelt ist kaum mehr als ein Konstrukt. Das belegt eine gemeinsame Studie von Kearney und Egon Zehnder. Demnach stellen Mitarbeiter:innen unabhängig vom Alter im Kern ähnliche Ansprüche an die berufliche Aufgabe und die Führungspersönlichkeit. Die Studie diente im Mai 2023 als Thema eines Egon Zehnder HR-Roundtable mit Personalverantwortlichen.

Wie unterschiedlich verhalten sich die Generationen in der Arbeitswelt? Welche Erfahrungen bringen sie mit? Was treibt sie an? Was erhoffen sich Angehörige unterschiedlicher Generationen von der Unternehmensführung? Dazu haben die Beratungsunternehmen Kearney und Egon Zehnder im Mai 2023 eine Studie vorgelegt (siehe Infokasten). Die Ergebnisse präsentierten sie an einem virtuellen Roundtable mit Personalverantwortlichen unterschiedlicher Branchen. 

Trendthema Arbeitszeitmodelle beschäftigt Unternehmen

Zur Einstimmung bat Dirk Mundorf von Egon Zehnder die 40 Teilnehmer:innen, per Abstimmungssoftware selbst ein paar Fragen zu beantworten. Dazu gehörte etwa, ob die Themen der Studie das jeweilige Unternehmen bereits beschäftigt haben. Das bejahten alle Teilnehmer:innen und stellten vor allem Bezüge zu einem seit längerem beobachtbaren Trend her: Mitarbeiter:innen quer durch alle Altersgruppen wünschten sich mehr Flexibilität bei der Arbeit beziehungsweise neue Arbeitsmodelle. Darüber hinaus spielt im HR-Bereich vermehrt eine Rolle, wie sich Fachkräfte im Unternehmen halten lassen. Die Stichworte dazu lauten Retention, Führungsverhalten und Benefits. Die Anschlussfrage nach konkreten Maßnahmen lässt den Schluss zu, dass die Unternehmen auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen eingehen. Die Palette reicht von der Option auf Teilzeit über Mentorenprogramme bis hin zu Trainings gegen Vorurteile und Diversitätsmanagement.

Über die Studie

Für ihre Generationenstudie befragten Kearney und Egon Zehnder kürzlich mehr als 8.000 Angehörige der folgenden fünf Generationen:

  • Generation Z (geboren ab 1997)
  • Jüngere Millennials (1988 bis 1996)
  • Ältere Millennials (1978 bis 1987)
  • Generation X (1965 bis 1977)
  • Boomer (1957 bis 1964)

Die Befragten stammen aus Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan und den USA. Sie arbeiten in unterschiedlichen Branchen, unterschiedlich großen Unternehmen und auf verschiedenen hierarchischen Ebenen. Berufseinsteiger:innen und Studierende kamen ebenso zu Wort wie erfahrene Fachkräfte und Führungspersönlichkeiten bis hinauf zur C-Suite.

Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen

Die Generationenstudie räumt nach Ansicht von Dirk Mundorf, Berater in der deutschen HR-Praxisgruppe von Egon Zehnder, mit verbreiteten Vorurteilen auf. So erscheine es in der Tat generationsübergreifend wichtig, Beruf und Privatleben in Einklang bringen zu können (acht von zehn Befragten). Die als besonders freizeitorientiert geltende Generation Z sticht in dieser Hinsicht also keineswegs hervor. Ebenfalls rund acht von zehn Befragten jeder Generation achten in erster Linie darauf, welche Rolle die Gesundheit bei potenziellen Arbeitgebern spielt, wünschen sich eine Unternehmenskultur, die Freude an der Arbeit fördert, und erwarten faire und sichere Gehälter. Insbesondere die finanzielle Sicherheit spielt für Berufseinsteiger:innen eine ähnlich entscheidende Rolle wie für erfahrene Fachkräfte. Sie zeigen sogar eine signifikant geringere Bereitschaft, für eine potenzielle Vier-Tage-Woche finanziell kürzer zu treten als Menschen um die Vierzig (42 % gegenüber 52 %).

„Der Eindruck trügt, junge Menschen würden die Selbstverwirklichung höher bewerten als frühere Generationen“, sagte Dirk Mundorf. „Möglicherweise basieren diesbezügliche Erfahrungen eher darauf, dass die Generation Z angesichts des Fachkräftemangels Ansprüche stellen kann, die Angehörige der Generation X und ältere Millennials nicht zu formulieren wagten.“ Ebenfalls als Vorurteil stellt sich heraus, dass ältere Menschen weniger Interesse am Klimaschutz zeigten. Generationsübergreifend erwarten knapp drei von vier Arbeitnehmer:innen, dass ihr Unternehmen in dieser Hinsicht nachvollziehbare Maßnahmen ergreift.

Im „Hier und Jetzt“ anstatt in „ferner Zukunft“

Gewisse Unterschiede lassen sich gleichwohl feststellen. Dazu gehört beispielsweise, dass die Generation Z sowie jüngere Millennials weniger bereit sind als ihre Eltern und Großeltern, Träume „irgendwann später“ zu verwirklichen. Arbeitnehmer:innen, die beispielsweise ausgiebige Reisen erst im Ruhestand für realistisch halten, finden sich eher unter den Boomern und unter älteren Angehörigen der Generation X. Menschen, die heute jung sind, suchen Erfahrungen jenseits des Alltags hingegen im Hier und Jetzt. Das könnte zumindest teilweise damit zusammenhängen, dass sie weniger optimistisch in die Zukunft blicken als frühere Generationen. Während eine deutliche Mehrheit der älteren Millennials glaubt, ihre Geschicke selbst in der Hand zu haben, fällt die Zustimmung der Generation Z zu einem selbstbestimmten Leben nicht ganz so eindeutig aus. Während 79 % der älteren Millennials sich zutrauen, Herausforderungen in der Regel zu meistern, sind es in der Generation Z lediglich 60 %.

„Diese Selbsteinschätzung lässt sich nicht allein damit erklären, dass junge Menschen generell noch auf der Suche nach der eigenen Rolle sind“, sagt Mirko Warschun von Kearney. „Vielmehr hat die Generation Z die Welt von Kindheit an als außerordentlich krisenhaft erlebt, kulminierend in Pandemie und Klimawandel.“ Ähnlich zurückhaltend reagieren Angehörige der Generation Z auch auf die Frage, ob sie sich einen Aufstieg ins Topmanagement vorstellen können (19 % gegenüber 44 % bei den älteren Millennials). Auf der anderen Seite streben vergleichsweise viele Gen-Z-Angehörige an, ein Unternehmen zu gründen oder sich selbstständig zu machen (16 % gegenüber 5 % bei den älteren Millennials). Sie sind also sehr wohl bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Erfahrungen aus der Praxis

An die Vorstellung dieser Zahlen schloss sich eine Diskussionsrunde an. Die Teilnehmer:innen bestätigten zwar unternehmensübergreifend die gestiegenen Ansprüche der Mitarbeiter:innen; die Einschätzungen und Interpretationen dieser Entwicklung gehen allerdings auseinander. Einige Teilnehmer:innen äußerten die Ansicht, dass viele Arbeitnehmer:innen schlicht die geringe Arbeitslosigkeit im eigenen Interesse nutzten. Der Fachkräftemangel bringe es mit sich, dass sie neben einem höheren Verdienst zusätzlich immaterielle Anreize fordern könnten. Andere Teilnehmer:innen glauben, dass der Wunsch nach sinnstiftenden Tätigkeiten ein bleibender Trend ist und dass der Grad dieses Wunsches beispielsweise von der Branche und der wirtschaftlichen Situation vor Ort abhängt. 

Weitere Trends, die am Roundtable zur Sprache kamen, war der sich verändernde Kommunikationsstil der Unternehmensführung und das Aufbrechen von Hierarchien. Ein Teilnehmer würdigte beispielsweise die Wirkung, die junge Mitarbeiter:innen für Change-Prozesse im Unternehmen hätten. „Unser Juniorchef hat gezielt ‚Inspiration Talks‘ mit Berufseinsteiger:innen geführt und sich so eine Gefolgschaft für die Idee gesichert, die bisher übliche Top-Down-Kommunikation zu verflüssigen.“ Eine weitere Teilnehmerin ging auf das Klischee ein, vor allem die Generation Z falle mit Forderungen auf. „Vielleicht müssen wir uns erst noch daran gewöhnen, dass Berufseinsteiger:innen Grenzen setzen. Überstunden galten früheren Generationen in bestimmen Branchen als normal und ehrenwert. Heute machen junge Menschen deutlich, dass Mehrarbeit die Ausnahme bleiben muss.“ Das lasse sich durchaus als Fortschritt interpretieren. 

Einig war sich der Roundtable in der Beobachtung, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer:innen eine zunehmend lockere Bindung an ein Unternehmen entwickeln. Das könne mit der Etablierung des Homeoffice im Zuge der Pandemie zusammenhängen, müsse aber weiter beobachtet werden. Um Mitarbeiter:innen zu halten, rät eine Teilnehmerin, regelmäßig selbst Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung zu unterbreiten, anstatt Arbeitnehmer:innen erst darum bitten zu lassen. Eine andere Teilnehmerin erkennt in puncto Bindung tatsächlich Unterschiede zwischen Generationen. „Es liegt in der DNA der Jüngeren, ihren jeweiligen Arbeitgeber nach ihrem persönlichen Karriereplan zu wählen – nicht umgekehrt.“ Unternehmen müssten mit der Tatsache leben, dass Arbeitnehmer:innen ihre Anstellung von vornherein als zeitlich befristet betrachten.

Menschlichkeit steht im Mittelpunkt

Doch: Nach Ansicht der Urheber der Generationenstudie lässt es keiner dieser Unterschiede zu, von einem Generationenkonflikt in der Arbeitswelt zu sprechen. Die Aufgabe für Führungspersönlichkeiten besteht demzufolge nicht darin, zwischen jüngeren und älteren Teammitgliedern zu vermitteln. Vielmehr gilt es, Teams aus Mitarbeiter:innen zu bilden, die gemeinsamen Ziele verfolgen, einander vertrauen, voneinander lernen und wesentliche Überzeugungen teilen. Zugleich dürfen und sollen sie unterschiedliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Herangehensweisen mitbringen. Die Ansprüche von Arbeitnehmer:innen an Führung jedenfalls haben mit dem Alter nichts zu tun. Die Mehrheit aller Generationen wünscht sich von Führungspersönlichkeiten, dass sie 

  • Anforderungen klar formulieren und Entscheidungen nachvollziehbar machen
  • anderen aufmerksam zuhören und Nahbarkeit vermitteln
  • eine kollaborative Arbeitsatmosphäre ermöglichen, in der Offenheit zählt
  • Kreativität fördern und Freiräume schaffen.

„Unterm Strich stellen wir fest, dass alle Generationen sich vor allem eines wünschen“, lautete das Fazit von Dirk Mundorf, „sie wollen Führungspersönlichkeiten, die sich ihnen und anderen gegenüber menschlich verhalten.“ 
 

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