Die Zeit der geburtenschwachen Jahrgänge steht vor der Tür. Was bedeutet das für junge Hochqualifizierte? Egon Zehnder Beraterin Brigitte Lammers und Berater Oliver Barthelmeh erläutern im Interview mit dem F.A.Z. Quarterly Magazin, wie Unternehmen Talente gewinnen können und was die junge Generation im Job antreibt. Generell gilt: Die Unternehmen müssen sich anstrengen. Lammers, die vor allem Firmen in der Hightech-, Kommunikations- und Medienindustrie berät, verweist darauf, dass der viel beschworene „War for Talents“ jetzt real werde. Auch Barthelmeh, Mitglied von Egon Zehnders Services Praxisgruppe, sieht einen kompletten Twist: „Früher haben vor allem die Unternehmen beim Vorstellungsgespräch die Fragen gestellt. Heute muss sich eher das Unternehmen bewerben“. Junge Menschen seien zwar durchaus bereit, sich sehr stark einzubringen, wollten aber auch sehr genau wissen, ob ihre Arbeit sinnvoll und sinnstiftend ist, so der Berater. Profitmaximierung sei für einen Großteil nicht das oberste Ziel.
Auch Lammers beobachtet einen „ausgeprägten Gestaltungswillen“ bei den jungen Bewerber:innen, zugleich ginge es vielen nicht mehr um die lineare Karriere nach „oben", sondern je nach privater Situation auch mal in ein Plateau – meist falle im Vorstellungsgespräch die Frage nach der Sabbatical-Regelung. Hinzu komme eine hohe Feedback-Kultur und der ausgeprägte Wunsch nach individueller und intensiver Interaktion mit der/dem Vorgesetzten. Das sei für viele klassische Unternehmen immer noch eine „Riesenherausforderung“, so die Expertin. Und wie reagieren die Unternehmen darauf? „Viele versuchen, die neuen Anforderungen möglichst lange zu negieren. Oder sie stellen schnell 20 Leute aus einem Start-up an und hoffen, dass sich so die Unternehmenskultur ändert“ – das sei, so Barthelmeh, allerdings wenig aussichtsreich. Erfolgversprechender seien Transformationsteams.
Erstaunt zeigt sich Barthelmeh darüber, dass junge Frauen beim Thema Gender Equality und Pay Gap „mit einer teilweise beängstigenden Naivität auf Jobsuche“ gingen. Zuletzt werfen beide noch einen Blick in die Zukunft der Generation der nach 2010 Geborenen. „Die Kluft zwischen Qualifizierten und Unqualifizierten wird immer größer, weil sich die Wirtschaft durch Technologisierung und Digitalisierung massiv verändern wird“, meint Lammers. „Wer hoch qualifiziert ist, wird global sehr gute Chancen haben, für viele andere wird es schwierig.“ „Das ist ein enormes Problem, auf das die Gesellschaft sich sehr gut vorbereiten muss, und zwar schnell“, resümiert Barthelmeh.
Brigitte Lammers und Oliver Barthelmeh: Glänzende Aussichten – Jobs: Die Vorteile der geburtenschwachen Jahrgänge, in: Frankfurter Allgemeine Quarterly, Ausgabe 03/2021, S. 73