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Interview mit Eva Christiansen: „Auch mal die Perspektive der anderen Seite einnehmen.“

CEOs und Aufsichtsratsvorsitzende suchen neue Wege, um sich zu geopolitischen Fragen zu positionieren. Doch wie gelingt ein erfolgreicher Dialog, auch mit der Politik und zivilgesellschaftlichen Akteuren? Darauf antwortet Eva Christiansen, Partnerin bei der strategischen Kommunikationsberatung FGS Global.


Frau Christiansen, das Thema Geopolitik steht für viele Unternehmer:innen ganz oben auf der Agenda. Warum positionieren sich dennoch so wenige Topführungspersönlichkeiten öffentlich zu den drängenden geopolitischen Fragen unserer Zeit?

Christiansen: Sicherlich besteht die Sorge, sich in unbekanntem Terrain zu verlaufen oder in parteipolitischen Auseinandersetzungen medial verbrannt zu werden. Daran haben Spitzenmanager:innen oder Unternehmer:innen verständlicherweise kein Interesse. Ein zweiter Grund ist, dass die geopolitischen Zusammenhänge hochkomplex und extrem volatil sind – es gibt ja nicht zu wenig Informationen, es ist vor allem die Bewertung dieser komplexen Ent­wicklungen und deren Auswirkungen auf die Unternehmen, die herausfordert. Also hält man sich zurück. Beides ist – erst einmal – verständlich.

Verständlich ja, aber viele sehen eine große Notwendigkeit, ihre Stimmen stärker in die geopolitischen Debatten einzubringen – und sie möchten sich auch selbst stärker engagieren. Welchen Rat geben Sie?

Vor allem braucht es Haltung. Ohne Haltung gibt es keine strategische Kommunikation oder Positionierung. Klar ist: Das Thema Geopolitik geht nicht mehr weg. Für Regierungen auf der ganzen Welt wird Sicherheits­politik im umfassenden Sinne im Fokus der kommenden Jahre stehen – von der externen und internen Sicherheit bis zur klar erkennbaren Tendenz, staatsinterventionistischer zu handeln, um die Resilienz des eigenen Wirt­schaftsstandorts abzusichern. Darauf müssen sich Entscheider:innen in der Wirtschaft vorbereiten.

Wie können sich Führungspersönlichkeiten dann besser aufstellen?

Der erste Schritt ist, sich mit den geopolitischen Entwicklungen kontinuierlich auseinanderzusetzen. Dann kommt die Bewertung: Was hat das alles konkret mit mir und meinem Unternehmen zu tun – welche Chancen und Risiken ergeben sich? Wie kann ich sich abzeichnende geopolitische Trends in strategische Entscheidungen einbeziehen? Mit welchen Stakeholdern muss ich in den Dialog treten, um meine Ziele zu erreichen? Damit meine ich keines­wegs nur Investor:innen und Arbeitnehmer:innen. NGOs und andere zivil­gesellschaftliche Akteure sowie politische Entscheidungsträger:innen stellen in geopolitischen Fragen klare Anforderungen an Unternehmen. Damit muss man umgehen können. Früher konnte man bei diesen Themen noch unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit fliegen, heute nicht mehr.

Das heißt für Führungspersönlichkeiten: raus aus der Deckung und aktiv Position beziehen, bevor man in die Defensive gerät?

Ja, aber dabei authentisch bleiben. Aktiv zu kommunizieren heißt nicht, dass man sich in jede Talkshow setzen und mit Politiker:innen und Aktivist:innen Grundsatzfragen diskutieren muss. Man kann aber – und das ist der entschei­dende Punkt – Haltung zeigen und die Perspektive der Wirtschaft einbringen: wie man Arbeitsplätze im Land erhalten will und welches gesellschaftliche Klima es dazu braucht. Warum Fachkräftezuwanderung entscheidend ist oder welche Bedeutung ein Freihandelsabkommen für das eigene Unternehmen und die Arbeitsplätze hat. Das sind Themen, die klar mit dem Unternehmens­zweck verbunden sind, und damit als glaubwürdiger Debattenbeitrag wahrge­nommen werden.

In unserer Geopolitik-­Umfrage beklagen sich viele, dass sie mit Positionen und Themen in der Politik gar kein Gehör mehr finden. Sie beschreiben, dass der Graben zwischen Politik und Wirtschaft immer größer werde. Wie kann heute ein zeitgemäßer Dialog zwischen Unternehmen und Politik entstehen?

Aus meiner Erfahrung in der Politik und jetzt in der Wirtschaft weiß ich: Es gibt bereits sehr viele, auch institutionalisierte Runden und Plattformen, wo Politik und Wirtschaft miteinander sprechen. Auch die Verbände spielen eine wichtige Rolle. Ich glaube, was zu dem verbreiteten Gefühl führt, dass man sich gegenseitig nicht mehr versteht, ist etwas anderes: Die Lage ist einfach viel zu komplex geworden.

Und das behindert einen Dialog?

Es sind ja nicht nur die geopolitischen Themen allein, bei denen wir gerade ringen: Sie vermischen sich mit Fragen der digitalen und der klimapolitischen Transformation und mit gesellschaftlichen Trends wie Populismus und Polari­sierung. Sowohl auf Seiten der Politik als auch seitens der Unternehmen fällt es schwer, bei all diesen Themen die nötige Expertise und verlässliches Wissen aufzubauen, um gute Entscheidungen zu treffen – und um einen gewinnbrin­genden Dialog miteinander zu führen.

Was braucht es?

Aus Sicht der Unternehmen ist vor allem wichtig, dass man die Interessen und Strategien aller Stakeholder im Blick behält. Dabei helfen könnten Plattformen, auf denen alle Beteiligten auch einmal abseits der Öffentlichkeit sprechen und zumindest für eine kurze Zeit aus ihrer eigenen Rolle heraustreten und die Per­spektive einer anderen Seite einnehmen können. Also: nicht das große Treffen der Vertreter:innen von Wirtschaft und Politik, bei der jede:r sein Statement verliest und am Ende alle eine allgemeine Erklärung unterzeichnen. Sondern: Veranstaltungen, bei denen es um die Sache geht, in die man erst einmal ergebnisoffen hineingeht. Bei der alle Beteiligten das Ziel haben zu verstehen: Was geht in der Welt vor? Was passiert gerade mit unserem Standort, mit unserem Land? Wie sind die Zusammenhänge? Welche Stakeholder verfolgen welche Interessen, und warum tun sie das? Auf dieser Basis kann dann auch wieder ein Dialog entstehen, in dem alle Seiten lernen und sich näherkommen.

Vita

Eva Christiansen berät als Partnerin bei FGS Global Unternehmen in Fragen der strategischen Kommunikation sowie des Stakeholder Engagements und leitet die Einheit „Strategic Foresight & Geopolitics”. Zuvor war sie Medienberaterin von Angela Merkel und Leiterin der Abteilung für Politische Planung, Innovation und Digitalpolitik im Bundeskanzleramt.

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