Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – als solches werden Mittelstand und Familienunternehmen oft bezeichnet. Und in der Tat, das gilt besonders in Ostdeutschland. Denn gerade hier haben Unternehmerinnen und Unternehmer in den zurückliegenden drei Dekaden Beachtliches geleistet – ex oriente lux. Ohne ihren Mut und ihr Engagement wäre die heutige gesellschaftliche und insbesondere ökonomische Prosperität in nahezu allen Regionen Ostdeutschlands nur schwerlich gegeben. Auch um diese Leistungen zu würdigen, wurde die Initiative „Macher 30“ (siehe Information am Ende) ins Leben gerufen. Für diese haben wir in den zurückliegenden Monaten eine umfangreiche Erhebung aller ostdeutschen mittelständischen und Familienunternehmen durchgeführt, um eine umfassende unternehmensspezifische Bestandsaufnahme zu erstellen und zugleich herausragende Erfolgsmodelle sowie Persönlichkeiten zu identifizieren.
Ostdeutschland ist mehr als typisch Mittelstand
In einem gesamtdeutschen Vergleich der 1.000 größten Unternehmen (die Umsatzgrenze liegt bei 200 Millionen Euro jährlich) kommen 75 dieser Unternehmen aus den fünf ostdeutschen Bundesländern und Berlin. Das sind zunächst nur circa fünf Prozent. Überzeugend ist jedoch die hohe Anzahl an mittelständischen und Familienunternehmen in dieser Region, deren Umsatz über 50 Millionen Euro jährlich beträgt. Dies sind insgesamt 523 Unternehmen. Über alle Regionen hinweg kann jeweils ein Viertel bis sogar ein Drittel der Unternehmen einen solchen Umsatz aufweisen – und wird damit, gemäß EU-Definition, gar nicht den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugerechnet. Sozusagen MittelstandPlus. Wird die Umsatzgrenze auf mehr als 25 Millionen Euro gelegt, sind hier absolut betrachtet sogar fast genau 1.000 Unternehmen dieses Typs zu Hause.
Traditionsbewusst und robust
Im Rahmen unserer Erhebung konnten insgesamt über 1.700 eigenständige, dies bedeutet konzernunabhängige, Unternehmen aus allen ostdeutschen Bundesländern und Berlin mit einem Umsatz von mindestens fünf Millionen Euro jährlich identifiziert werden, die nun in den folgenden Monaten beispielsweise nach Größenklasse, Wachstum, Internationalität, Region und Branche weiter analysiert werden. Darüber hinaus konnten wir für 1.638 dieser Unternehmen auch das Gründungsjahr erheben.
In der Betrachtung der Alterskohorten sehen wir, dass überraschenderweise nahezu die Hälfte der betrachteten Unternehmen bereits vor 1990 gegründet wurde und damit auf eine lange unternehmerische Tradition und mehrere Eigentümergenerationen zurückblicken kann. Einige dieser Unternehmen, beispielsweise die Brandenburger Urstromquelle aus Baruth und die Spreewaldmühle aus Burg, wurden bereits im 14. Jahrhundert gegründet, andere im 15. Jahrhundert wie z. B. die Schmiedeberger Gießerei aus Dippoldiswalde in Sachsen.
Natürlich, in den ersten zehn Jahren nach der Wende zeigen die Daten eine große Gründungswelle. Genau genommen gab es in dieser Zeit dreimal so viele Gründungen wie in den letzten 20 Jahren. Mit weniger als 40 Unternehmen, die seit 2010 gegründet wurden (und einen Umsatz von mindestens fünf Millionen Euro aufweisen), zeigt sich aber ebenso ein Abwärtstrend in der Gründerlandschaft. Denn offensichtlich konnten sich in diesem Zeitraum nur wenige wachstumsstarke Unternehmen etablieren. In den zurückliegenden 15 Jahren sind es 111 Unternehmen, die einen Jahresumsatz von über fünf Millionen Euro erzielten. Berlin mag hier seinem Ruf als Motor des Neuen gerecht werden, denn mit 62 dieser 111 Unternehmen ist mehr als die Hälfte aller Gründungen hier zu Hause – vor allem in den Branchen E-Commerce/Handel und Digitalwirtschaft, gefolgt von der Gesundheitswirtschaft.
Wachstum – auch eine Frage des Alters
Aber nicht nur junge Unternehmen sind wachstumsstark. So hat die im letzten Jahr vom Ifo Institut Dresden und von Ramboll Consulting veröffentlichte Gazellenstudie zu schnell wachsenden Unternehmen in Ostdeutschland (mindestens 20 Prozent Wachstum über drei Jahre) gezeigt, dass Wachstum keine Frage jungen Unternehmensalters ist. In ihrer Analyse von Unternehmen, die im Gegensatz zu unserer Erhebung primär weniger als fünf Millionen Euro Umsatz erwirtschaften, zeigte sich, dass fast 60 Prozent dieser 4.930 Unternehmen älter als zehn Jahre sind. Dominierend sind dabei konsumnahe Dienstleistungen und das verarbeitende Gewerbe. Hinzu kommt: Durch diese Gazellen wurde in den vergangenen Jahren gut die Hälfte aller neuen Arbeitsplätze geschaffen. Und das, obwohl diese weniger als acht Prozent aller Unternehmen in Ostdeutschland ausmachen. Insbesondere in Berlin und mit etwas Abstand in Sachsen sind Gazellen überdurchschnittlich häufig vertreten.
Sachsen – das Unternehmerland?
Die meisten mittelständischen und Familienunternehmen sind insgesamt und auch in allen drei Größenklassen in Sachsen zu finden. Zusammen sind es 511 Unternehmen. Obgleich Sachsen mit ca. 4,1 Mio. Bürgern neben Berlin die höchste und im Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern fast 2,5-fache Einwohneranzahl hat, zeigt es doch – auch relativ betrachtet – hohe wirtschaftliche Kraft. Dabei hat jede Region ihre Besonderheiten entwickelt. So findet man in der Region um Chemnitz/Zwickau und im Erzgebirge einen starken Maschinenbau, in Dresden hat sich eine starke Halbleiterindustrie herausgebildet, und Leipzig ist bekannt für eine extrem wachsende IT- und Medizinbranche. Aber auch Regionen wie die Lausitz und das Vogtland haben jeweils ihre sogenannten Hidden Champions. Sachsen ist auch unter einer anderen Perspektive herausstechend: Sachsen ist das Unternehmerland, in dem – im Vergleich zu allen anderen Regionen – Unternehmen mit Gründungsjahren vor 1949 (Gründungsjahr der DDR) und zwischen 1949 und 1989 (Bestehen der DDR) am häufigsten vertreten sind.
Tradition, Robustheit und Erneuerung, das zeichnet die Unternehmerlandschaft in Ostdeutschland insgesamt aus – also durchaus sonnige Aussichten.
Macher 30
Die Initiative „Macher 30 – der Ehrenpreis für herausragende Persönlichkeiten in Berlin und Ostdeutschland“ der Initialpartner VBKI, ESMT Berlin, Ostdeutscher Bankenverband und Egon Zehnder hat das Ziel, außerordentlich erfolgreiche Persönlichkeiten in Berlin und Ostdeutschland, die sich mit ihrem Handeln und Wirken im Kontext des ökonomischen und gesellschaftspolitischen Transformationsprozesses seit 1990 durch ein herausragendes Engagement und eine außerordentliche Leistung hervorgetan haben, zu identifizieren und medial in einem besonderen Format zu würdigen. Die Preisverleihungen in den vier Kategorien Wirtschaft, Wissenschaft, Kommune und Newcomer werden am 17. März 2020 an der ESMT Berlin stattfinden. „Macher 30“ baut auf der Initiative „Macher 25 – der große Wirtschaftspreis des Ostens“ auf. WIRTSCHAFT+MARKT ist Medienpartner der Initiative.
René Sadowski und Jörg K. Ritter: Ex Oriente Lux, in: WIRTSCHAFT+MARKT, April 2019.