Viele Unternehmen der CleanTech-Branche stehen am Scheideweg. Dabei kommt es besonders auf den CEO an: Er muss sich um die Strategie und die Ausrichtung auf die Kunden kümmern – nicht so sehr um die Technik. Fünf Thesen, worauf es dabei ankommt.
Wenn Unternehmen saubere Technologien entwickeln und anbieten, können sie sich der Sympathie der Öffentlichkeit sicher sein. Doch das allein ist kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Denn auch die Unternehmen der so genannten CleanTech-Branche stehen vor großen Herausforderungen: Sie müssen sich organisatorisch, strukturell und personell auf die Wünsche der Kunden einstellen, die sich immer schneller verändern. Dabei hat es die CleanTech-Branche womöglich sogar besonders schwer. Denn viele Unternehmen sind von Ingenieuren oder Naturwissenschaftlern gegründet worden. Die sind zwar häufig Experten mit einem tiefen Verständnis für Technik – doch nur selten geborene Unternehmer.
Um Erfahrungen und Meinungen zu sammeln, wie die Branche auch in Zukunft erfolgreich sein kann, hat Egon Zehnder im Sommer 2009 Vorstände und Geschäftsführer deutscher CleanTech-Unternehmen zu einer Roundtable-Diskussion eingeladen. Ergänzend ist in einer Studie unseres Hauses untersucht worden, wie CEOs aus der CleanTech-Branche die Rolle in ihrem Unternehmen verstehen, über welchen Erfahrungshintergrund sie verfügen und bei welchen Kompetenzen sie Stärken beziehungsweise Schwächen aufweisen.
Anhand der Erkenntnisse aus der Roundtable-Diskussion und der Studie haben wir fünf Thesen entwickelt, die zentrale Herausforderungen für CEOs von Unternehmen der CleanTech-Branche beschreiben.
Erste These: Um sich zu einer etablierten Industrie zu entwickeln, müssen CleanTech-Unternehmen ihre Strukturen, Prozesse und Management-Instrumente professionalisieren.
In der Vergangenheit waren viele Unternehmen des CleanTech-Sektors sehr stark von Forschung und Entwicklung getrieben. Gleichzeitig war ihre Markt- und Kundenorientierung wenig ausgeprägt oder gar nicht vorhanden. So haben viele Unternehmen zum Beispiel erst in jüngster Vergangenheit damit begonnen, einem Manager auf der obersten Hierarchieebene die Verantwortung für Vertrieb und Marketing zu übertragen.
Auch bei vielen anderen Themen zwingen der Kostendruck und die sich anbahnende Konsolidierung im Markt die Unternehmen, ihre Strukturen, Prozesse und Instrumente rasch zu professionalisieren. Als Vorbild können Unternehmen aus etablierten Branchen gelten, die diese Wandlung schon vor Jahrzehnten vollzogen haben.
Neue Herausforderungen kommen auch und vor allem auf Unternehmer und CEOs zu. Sie sind gefordert, stärker als bisher an Kunden, Mitarbeiter und Eigentum zu denken – also das Streben nach tatsächlichem Mehrwert vor die Arbeit an technischen Details zu stellen.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die professionelle Führung und Entwicklung der Mitarbeiter. Unternehmer und CEOs müssen lernen darauf zu achten, dass Mitarbeiter – mit den passenden Kompetenzen – in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich an den Zielen des Unternehmens zu arbeiten.
Außerdem ist ein bewusster Umgang mit dem Eigentum der Kapitalgeber vonnöten. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Unternehmen nachhaltig erfolgreich arbeitet.
Zweite These: Die Unternehmenskultur muss sich radikal verändern, indem die Marktorientierung einen größeren Stellenwert bekommt.
Die CleanTech-Industrie ist immer noch stark von einer Startup-Kultur geprägt. Ihre Mitarbeiter sind hoch motiviert und Idealisten in Sachen „grüner Energie“. Gleichzeitig wer den viele Unternehmen von ihrem Gründer dominiert, obwohl sie inzwischen stark gewachsen sind. Doch sowohl beim Chef als auch bei seinen Mitarbeitern müssen sich, um weiter am Markt bestehen zu können, Motivation und Antrieb radikal ändern und zuerst auf die Bedürfnisse der Kunden sowie auf die Position des Unternehmens in Bezug auf Konkurrenten und Kosten richten – und erst in zweiter Linie auf technische Innovationen.
In vielen Fällen hängt die Entwicklung der Unternehmen zu stark vom Erfolg einzelner Projekte ab. Das hat seine Ursachen auch darin, dass nicht alle Führungskräfte klare Prioritäten setzen. Statt die Zweckmäßigkeit einzelner Projekte und der gesamten Strategie zu hinterfragen, widmen sich Unternehmen zu oft Vorhaben, die einzelnen Mitarbeiter gerade besonders interessant erscheinen. Verantwortliche können gegensteuern, indem sie das Ziel eines bewussteren Umgangs mit dem Eigentum der Kapitalgeber stärker im Bewusstsein der Führungskräfte verankern.
Dritte These: Viele CEOs definieren sich zu stark über ihre Technikkompetenz und widmen sich zu wenig dem Ausbau unternehmerischer Kompetenzen.
Bei vielen Führungskräften von Unternehmen der CleanTech-Industrie ist die Ergebnis- und Kundenorientierung deutlich geringer ausgeprägt als in anderen Branchen. Das hat Egon Zehnder anhand der Ergebnisse vieler Management-Appraisals herausgefunden. Auch die Erfahrungen aus der Unterstützung bei der Besetzung von Top-Positionen untermauern diese Erkenntnis. Im Vergleich zu Führungskräften in Unternehmen anderer Industriesegmente orientieren sich die Manager der CleanTech-Branche deutlich weniger an Ergebnis und Kundenwünschen. Vielmehr profiliert sich die oberste Führungsebene durch eine hohe technische Fachkompetenz und Marktexpertise.
Viele Top-Führungskräfte der Branche lassen zudem eine strategische Orientierung vermissen. Das ist zum Beispiel daran zu erkennen, dass die Maßnahmen zur Entwicklung des Unternehmens nur wenig aus einer strategischen Gesamtschau abgeleitet sind. Außerdem finden sich in CleanTech-Unternehmen außergewöhnlich viele Einzelkämpfer, die Teamarbeit ist gering ausgeprägt – auch hier zeigt sich eine hohe Diskrepanz zwischen dem Ist und Soll. Ursache könnte auch hier die große Dominanz der Gründer sein.
Vierte These: Wesentliche Entscheidungen trifft der CEO zu oft allein. Aktives und systematisches Talent Management findet nur in Ansätzen statt.
Gelingt es Unternehmen nicht, wichtige Herausforderungen zu bewältigen, liegt das in vielen Fällen an der obersten Führungsebene. Zwar rekrutieren CleanTech-Firmen oft einzelne herausragende Manager. Doch diese Strategie greift zu kurz. Notwendig wäre vielmehr, ein schlagkräftiges Führungsteam aufzubauen, dessen Mitglieder sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Außerdem müssen Unternehmen die individuellen Kompetenzen ihrer obersten Führungskräfte gezielt weiterentwickeln. Dazu ist eine detaillierte Personalplanung dringend notwendig.
Um auch mittlere Führungspositionen mit geeigneten Kandidaten besetzen zu können, müssen sich Unternehmen des CleanTech-Sektors gegenüber anderen Industrien stärker öffnen. So erhalten Unternehmen die Chance, sich gezielt mit Produktions- und Projekt-Managern aus anderen Industriezweigen zu verstärken. Hier ist vor allem der Blick auf die Halbleiterindustrie, den Anlagenbau und die Automobilindustrie vielversprechend. Zudem müssen CleanTech-Unternehmen ihr Talent Management verbessern, das oft noch in den Kinderschuhen steckt. Personalstruktur und Kompetenzen einzelner Mitarbeiter bremsen sonst die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Fünfte These: Gründer-CEOs wären oft die besseren CTOs
In 44 Prozent der CleanTech-Unternehmen ist der Gründer immer noch als CEO tätig. In den übrigen Unternehmen hat er eine andere Aufgabe im Vorstand oder in der Geschäftsführung übernommen. Hat ein Unternehmen den Gründer an der Unternehmensspitze durch einen anderen Manager ersetzt, kommt der meist aus der gleichen Branche, belegt eine Untersuchung von Egon Zehnder, für die der Erfahrungshintergrund der CEOs der größten 30 CleanTech-Unternehmen im deutschsprachigen Raum ausgewertet wurde. Der Anteil von Branchenfremden ist dagegen sehr gering. Jeder fünfte CEO hat zuvor in der Wissenschaft gearbeitet. Dabei bräuchten viele Unternehmen einen CEO, der auch andere Branchen kennt – und sich weniger um die Technik als um kaufmännische Fragen kümmert. Gerade der Gründer eines Unternehmens wäre oft ein besserer CTO als CEO.
Ein erfolgreicher CEO muss eine klare Ergebnisorientierung zeigen und ein Verständnis dafür entwickeln, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sein Unternehmen braucht, um erfolgreich zu sein. Dazu muss er seine Perspektive nicht auf die Funktionen richten, sondern auf die Prozesse – und so das Gesamtergebnis im Auge behalten. Die wichtigste Kompetenz eines CEO ist die Orientierung an Strategie, Mitarbeiterführung und Ergebnis. Im Vergleich dazu ist bei einem CTO zuerst Fachkompetenz gefordert, erst danach Ergebnis- und Strategie-Orientierung. Davon abgesehen, wird die Wandlung eines Naturwissenschaftlers oder Ingenieurs zum erfolgreichen CEO nur dann gelingen, wenn er bereit ist, von einem 100-Prozent-Anspruch Abstand zu nehmen und sich zufrieden zeigt, wenn auch einmal nur 80 Prozent der gesteckten Ziele erreicht wurden.
Siehe auch: