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Individuelle Weiterentwicklung

Die Wissenschaft und Kunst des langen Lebens

Beim Trendthema Longevity dreht sich alles es um die Frage, wie sich die gesunde Lebensspanne verlängern lässt. Was Leistungsträger und Führungspersönlichkeiten jetzt über die Fortschritte in der Langlebigkeitsforschung wissen sollten.

  • Juli 2024

Länger gesund und leistungsfähig bleiben: Das wird im Zuge des demographischen Wandels auch für Führungspersönlichkeiten in verantwortungsvollen Positionen zu einem immer wichtigeren Ziel. Welche neuen Erkenntnisse in der Forschung hierbei neue Möglichkeiten eröffnen, was von den Durchbrüchen in der Epigenetik und vom vor allem aus dem Silicon Valley in die Wirtschaftswelt drängenden Transhumanismus-Trend zu erwarten ist, diskutierte Präventivmediziner Professor Bernd Kleine-Gunk mit den Teilnehmenden beim Stuttgarter Roundtable von Egon Zehnder.

Auf einen Blick:

  • Leistungsfähig bis ins hohe Alter:
    Beim Longevity-Trend geht es nicht in erster Linie darum, immer älter zu werden – sondern vielmehr darum, die gesunde und leistungsfähige Lebensphase maximal zu verlängern.
     
  • Wirtschaftsfaktor Longevity:
    Wenn Menschen länger gesund leben, hat das nicht nur Auswirkungen auf persönliche Lebens- und Karrierewege, sondern bringt auch weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen mit sich – und ermöglicht neue Geschäftsmodelle. 
     
  • Durchbrüche in der Forschung:
    Aktuelle Erkenntnisse von Altersforschern und Epigenetikern eröffnen ein neues Verständnis der Alterungsprozesse des menschlichen Körpers – und neue Möglichkeiten, in diesen Prozess einzugreifen.
     
  • Transhumanismus:
    Neue Technologien ermöglichen ein neuartiges Verständnis davon, wie das menschliche Gehirn und Bewusstsein funktionieren – und lassen Transhumanisten wie Elon Musk von neuartigen Mensch-Maschine-Schnittstellen und digitaler Unsterblichkeit träumen.
     
  • Neue Perspektiven:
    Forschungsergebnisse und technische Innovationen zeigen Führungspersönlichkeiten neue, konkrete Stellschrauben, mit deren Hilfe sie lange gesund und leistungsfähig bleiben können – und eröffnen neue Perspektiven auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends sowie auf die eigene Karriereplanung.

Leistungsfähig bis ins hohe Alter

Die durchschnittliche Lebenserwartung in den Industrieländern steigt immer weiter an – und zwar „mit geradezu mathematischer Präzision“, konstatierte Professor Bernd Kleine-Gunk beim Egon-Zehnder-Roundtable für Führungspersönlichkeiten in Stuttgart im Juni. „Mit jedem Jahrzehnt gewinnen wir zwei bis drei zusätzliche Jahre durchschnittlicher Lebenszeit hinzu“, berichtete der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin bei dem Treffen.

Das maximale Lebensalter eines Menschen liegt heute bei rund 120 Jahren. Mit dem längeren Leben geht allerdings auch eine höhere Prävalenz von Alterserkrankungen einher: Je älter wir werden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, Osteoporose, Krebserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Demenz und Alzheimer zu bekommen. Längst geht es Forschenden daher nicht mehr vor allem darum, die Lebenserwartung weiter zu steigern.

Unter dem Schlagwort „Longevity“, also: Langlebigkeit, hat sich vielmehr eine Gruppe von Genetikern, Biogerontologen, Pharmakologen, aber auch Biotech- und Tech-Unternehmen und Investoren versammelt, die vor allem ein Ziel eint: Sie wollen die gesunde und leistungsfähige Lebensspanne der Menschen verlängern.

Wirtschaftsfaktor Longevity

Bis ins hohe Alter mental und körperlich fit bleiben: Das ist weit mehr als nur ein persönliches Lebensziel. Mit Blick auf die demographische Entwicklung, auf die Arbeitsmärkte, Krankenversicherungs- und Rentensysteme könnte es auch wirtschaftlich und gesellschaftlich weitreichende Folgen haben, wenn Menschen bis ins hohe Alter Leistungsträger bleiben, statt zunehmen krank und hilfsbedürftig zu werden. Und nicht zuletzt eröffnet sich auch ein gigantischer neuer Markt für Dienstleistungen und Produkte, die Altersprozesse und deren Folgen verlangsamen oder stoppen.

Durchbrüche in der Forschung

Kein Wunder also, dass es inzwischen auch zahlreiche auf das Thema Longevity spezialisierte Investoren gibt, die gezielt in Longevity-Startups, Pharma-, Biotech- und Tech-Unternehmen und in Forschungsprojekte zum Thema Langlebigkeit investieren. 
Die größten Durchbrüche erhofft sich die Longevity-Szene aktuell von neuen Erkenntnissen aus der Epigenetik, der Zellbiologie und der Metabolismus-Forschung. „Um den Alterskrankheiten nachhaltig etwas entgegenzusetzen, ist es wichtig, die Alterungsprozesse zu verstehen, die diese Krankheiten begünstigen“, erklärte Kleine-Gunk. Die vor zehn Jahren erschienene molekularbiologische Forschungsarbeit „The Hallmarks of Aging“ habe hier eine regelrechte Revolution in Gang gesetzt: Molekularbiologen identifizierten zwölf entscheidende Alterungsfaktoren, die sich aktiv beeinflussen lassen. „Im Jahr 2023 ist eine überarbeitete Fassung dieser Studie erschienen“, berichtete Anti-Aging-Experte Kleine-Gunk. „Heute wissen wir: Altern ist kein unaufhaltsames Schicksal mehr – es ist ein modifizierbarer Prozess.“

Einige der wichtigsten Alterungsfaktoren: 

  • Oxidation, sogenannte freie Radikale:
    Antioxidantien, die etwa in Lebensmitteln wie Obst und Gemüse enthalten sind, hemmen den Altersprozess
     
  • Silent Inflammation:
    Entzündliche Prozesse beschleunigen Alterungsprozesse und lösen Alterserkrankungen aus. Es gilt daher, entzündliche Prozesse im Körper zu erkennen und zu behandeln – unter anderem im Fettgewebe entstehen viele solcher Entzündungsprozesse. Auch Zuckerkonsum begünstigt Entzündungen.
     
  • Verlust der mitochondrialen Funktion:
    Die Mitochondrien, eine Art Zellkraftwerke, beeinflussen die Regenerationsfähigkeit des Körpers. Sport ist eine der besten Möglichkeiten, diese Kraftwerke anzufeuern.
     
  • Verkürzung der Telomere:
    Telomere sind Strukturen, die an den Endkappen der Chromosomen sitzen. Bei jeder Zellteilung verkürzen sie sich, bis eine kritische Untergrenze erreicht ist: Die Zelle kann sich nicht mehr teilen und stirbt. Faktoren wie Ernährung und Stressmanagement wirken auf die Länge der Telomere und damit auf das „biologische Alter“. 

Transhumanismus

Während die Durchbrüche in der Epigenetik, der Molekularbiologie und der Stoffwechselforschung bereits sehr konkret an lebensspannenverlängernden Methoden und Produkten arbeiten, dringt insbesondere aus dem Silicon Valley derzeit eine andere Variante der Longevity-Bewegung auf die Bildfläche: Die sogenannten Transhumanisten wollen Technologien von KI bis Robotik dafür einsetzen, Neuroprothesen und neuartige Mensch-Maschine-Schnittstellen zu entwickeln. Dank Computerchips, die direkt im Gehirn eingesetzt werden können, und selbstlernenden Prothesen sollen die Beschränkungen des alternden menschlichen Körpers überwunden werden.

Es geht also nicht mehr nur darum, Gesundheit und Leistungsfähigkeit möglichst lange zu erhalten – sondern diese sogar über die biologischen Grenzen des Möglichen hinaus zu erweitern. Einige besonders radikale Transhumanismus-Visionäre streben gar eine Art digitaler Unsterblichkeit an: Das „Human Brain Project“ hat sich etwa zum Ziel gesetzt, das menschliche Gehirn in all seiner Komplexität nachzubauen und zu verstehen. Würde es möglich, alle synaptischen Verbindungen und Nervenzellen nachzubauen, könnte das theoretisch die Möglichkeit eröffnen, das menschliche Bewusstsein auf einen Computerchip auszulagern – und damit digital unsterblich zu machen.

Neue Perspektiven für Führungspersönlichkeiten

Einige Longevity-Trends, insbesondere aus dem transhumanistischen Umfeld, wirken heute unterhaltsam, aber noch wie Science-Fiction. Andere Erkenntnisse aus der Longevity-Forschung erscheinen hingegen in ihrer Konsequenz fast banal: Sie belegen im Wesentlichen, dass gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und auch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel zu einem langen, gesunden Leben beitragen können.

In den kommenden Jahren versprechen sich Forschende aber noch größere und weitreichendere Fortschritte insbesondere im Kampf gegen Alterskrankheiten wie Krebs und Demenz. Womöglich wird dann nicht nur „Longevity“ durch Prävention möglich – sondern auch „Rejuvenation“, also Verjüngung durch ein Zurückdrehen von Alterserscheinungen, durch Zell- und Gen-Verjüngung. 
Aktuell als alternativlos und unumkehrbar geltende Trends wie die demographische Entwicklung könnten sich dadurch ganz anders entwickeln als erwartet. Die Longevity-Forschung hat also disruptives Potenzial.

Für strategisch denkende Führungspersönlichkeiten eröffnen der Longevity-Trend und die damit verknüpften Debatten daher in jedem Fall eine spannende, neue Perspektive auf zukünftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen – und auch auf die Frage, wie sie ihren persönlichen Karriereweg gestalten wollen.

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