Im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital spricht Chairman Michael Ensser über den Wirtschaftsstandort Deutschland, seine Erfahrungen beim Aufspüren kluger Köpfe und worauf es der jungen Generation von Top-Manager:innen ankommt.
Für Deutschland sieht Ensser in Sachen Innovation deutlichen Nachholbedarf: „Wir gelten ja nicht gerade als Tempomacher oder Innovationsführer“, konstatiert er gegenüber Capital. Auf seinen Reisen quer durch die Welt verspüre er „eine größere Veränderungsdynamik, mehr Pragmatismus und deutlich mehr Hunger danach, Wachstumsvisionen umzusetzen“. Auch gingen andere Nationen mit Herausforderungen teilweise deutlich lösungsorientierter um, so Ensser. Deutschland blockiere sich hingegen selbst und verheddere sich „mit einer byzantinischen Bürokratie“ im „föderalen Gestrüpp“. Das werde auch im Ausland mit Sorge betrachtet. Mit Blick auf die derzeitigen geopolitischen Spannungen und Krisen seien aber gerade Flexibilität und Experimentiergeist, das Fördern einer Fehlerkultur, die Integration unterschiedlichster Perspektiven, das permanente Umlernen und teilweise auch Umdenken gefragt.
Dabei sei in Deutschland durchaus Potenzial vorhanden: Das Land „habe Dutzende Firmen im Deep-Tech-Bereich“ und verfüge „mittlerweile über eine Start-up-Kultur, die bereits zahlreiche hoch bewertete Firmen hervorgebracht hat“. Auch begegne er „nach wie vor vielen sehr leistungswilligen Menschen“. Allerdings gehe es diesen nicht allein ums „harte Arbeiten“. Studien von Egon Zehnder belegen, dass es der jungen Generation wichtig ist, einen sinnstiftenden Beitrag durch ihre Arbeit zu leisten. Das solle man „nicht beklagen, sondern als New Normal – als neue Realität – annehmen“, gibt Ensser zu bedenken. Denn Sinnsuche und Leistungswille widersprächen sich keinesfalls: hartes Arbeiten für einen gesellschaftlichen oder menschlichen Mehrwert. „Die Manager:innen leisten durch ihre Arbeit also einen Beitrag für eine bessere Welt. So ergibt Leistung Sinn.“
Michael Ensser im Interview mit Jenny von Zepelin: „Wir gelten ja nicht gerade als Tempomacher“, in: Capital, Nr. 12, 18.11.2023