Es steht schlecht um die kulturelle Vielfalt in deutschen Unternehmen: Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie von Egon Zehnder und McKinsey. Das schadet nicht nur Arbeitnehmer:innen mit ausländischen Wurzeln, sondern auch der deutschen Wirtschaft.
Laut den Studienergebnissen entgehen der deutschen Wirtschaft jährlich 100 Milliarden Euro, weil Menschen mit ausländischen Wurzeln häufig für ihre Jobs überqualifiziert sind oder produktiver sein könnten – und weil diverse Teams nachgewiesen effektiver arbeiten. Für die Studie wurden mehr als 2.000 Beschäftigte in Deutschland befragt, von denen 75 Prozent einen kulturell diversen Hintergrund haben.
Dabei klaffen Anspruch und Realität derzeit weit auseinander: Viele Konzerne hätten sich kulturelle Diversität auf die Fahnen geschrieben, aber im deutschen Topmanagement sei gelebte Vielfalt trotzdem eher noch die Ausnahme als die Regel, konstatiert So-Ang Park, der bei Egon Zehnder das Global Gaming Team leitet und als Autor an der Studie mitgewirkt hat. Gerade einmal ein Viertel der CEOs der Dax-Unternehmen hat einen kulturell diversen Hintergrund. „Entscheidend ist nicht, was auf dem Papier steht, sondern ob Gleichberechtigung auch im Arbeitsalltag gelebt wird“, so der Co-Autor. Davon ist derzeit noch wenig zu spüren, wie die Studie offenbart: Knapp acht von zehn Befragten geben an, dass ihr Arbeitgeber nichts unternehme, um gezielt „kulturell diverse Talente“ zu rekrutieren.
Andere Länder sind in einigen Belangen schon weiter – so sind in den USA oder Großbritannien etwa anonymisierte Bewerbungsverfahren Standard. Und auch hierzulande wirken sich diese positiv auf die Diversität aus: Von den Dax-Unternehmen, denen Egon Zehnder und McKinsey schon jetzt kulturelle Vielfalt bescheinigen, bietet jedes dritte ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren an.
Die Studie gibt noch weitere Empfehlungen, wie sich kulturelle Vielfalt und faire Teilhabe in Unternehmen verankern lassen. Dazu zählen etwa Quotenvorgaben bei der Einstellung neuer Mitarbeiter:innen, aber auch die Einführung von Englisch als gleichberechtigter Unternehmenssprache. Auch mit dem Einsatz neutraler Beobachter:innen bei wichtigen Mitarbeiter:innengesprächen habe man bei Egon Zehnder hervorragende Erfahrungen gemacht, sagt So-Ang Park. Die Rolle rotiere, jede:r sei mal dran – „und dadurch setzen sich auch alle mit dem Thema auseinander“.
Verena Töpper: Deutschland entgehen 100 Milliarden Euro – wegen mangelnder kultureller Vielfalt, SPIEGEL online, 19.09.2023, https://www.spiegel.de/karriere/diversitaet-faire-arbeitsbedingungen-gibt-laut-mckinsey-studie-nur-in-der-theorie-a-cfc1381c-7003-4421-8dec-a4d1d2294c79