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Technologieführerschaft für erneuerbare Energien – wo steht Deutschland?

Cleantech Roundtable 2014: Technologieführerschaft für erneuerbare Energien – wo steht Deutschland?

Deutschland läuft Gefahr, seine Position als Technologieführer im Bereich erneuerbare Energien zu verlieren. Unternehmen und Politik müssen handeln. Ergebnisse des 5. CleanTech Roundtable von Egon Zehnder.

Wo steht Deutschland, wenn es um die Technologieführerschaft im Bereich erneuerbare Energien geht? Dieser Frage widmete sich der CleanTech Roundtable 2014. Im gewohnt kleinen Kreis diskutierten Vertreter aus Energiewirtschaft und Verbänden darüber, wie in Industrie und Unternehmen die Voraussetzungen zu schaffen seien, um technische Innovationen voranzubringen und den Standort Deutschland zu stärken. Impulsredner waren Rudolf Sonnemann, Vorsitzender der Geschäftsführung von Stiebel Eltron, und Alf Henryk Wulf, Vorstandsvorsitzender der Alstom Deutschland AG. Die auch in diesem Jahr wieder sehr angeregte Diskussion zeigte, dass es großer Anstrengungen bedarf, um die führende Position, die Deutschland in einigen technologischen Segmenten nach wie vor innehat, auszubauen.

Innovation führt nicht von selbst zu unternehmerischem Erfolg

Fest steht: Die Unternehmen haben genauso Fehler gemacht wie die Politik. Der Staat kann und muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, nicht mehr und nicht weniger. Und es besteht kein Zweifel: Mit dem EEG hat er der Solarwirtschaft kräftig auf die Sprünge geholfen und Innovationen gefördert. Doch Ingenieurskunst ist nicht alles. Selbst die innovativste Technologie garantiert noch keinen Markterfolg. Genau das aber wurde in der Solarwirtschaft verkannt. Vielleicht war man schlicht zu technikorientiert, um zu sehen, dass es noch auf etwas Anderes ankommt: Gute Ideen müssen in nachhaltige Geschäftsmodelle umgesetzt werden, die auch langfristig im Markt bestehen können. Dazu braucht es unternehmerisches Denken. Und es braucht Flexibilität, um Geschäft und Produkte immer wieder anzupassen, wenn der Markt sich verändert. Die wenigsten deutschen Solarfirmen waren dazu in der Lage.

„Wir dürfen uns dem Wettbewerb nicht verschließen. Wir müssen auch weiterhin die besten Netze, die besten Wärmepumpen, die besten Solarkollektoren bauen, um Technologieführer zu bleiben.“ Rudolf Sonnemann, Vorsitzender der Geschäftsführung von Stiebel Eltron

Deutsche Industriepolitik – ein zahnloser Tiger?

Auch die Politik täte gut daran, noch einmal genauer hinzuschauen. Man kann sich durchaus fragen, ob Deutschland industriepolitisch eine eindeutige Strategie verfolgt. Klar ist: Maßnahmen wie das EEG konnten die Talfahrt der Solarbranche nicht verhindern. Und sie werden allein auch nicht ausreichen, um Deutschland in den umkämpften Energiemärkten der Zukunft stark zu machen. Wird nicht härter gegengesteuert als bisher, ist hier mit ähnlichen Entwicklungen zu rechnen wie in der Telekommunikationsbranche, wo einzelne nicht-deutsche Anbieter den Markt mit einer attraktiven Preisstruktur regelrecht aufrollten. War – und ist – die deutsche Politik angesichts derartiger Offensiven zu naiv? Vertraut man zu sehr darauf, dass sich alle Marktteilnehmer an hierzulande selbstverständliche Regeln halten? Und: Was braucht es, damit Deutschland künftig die technologischen Trümpfe ausspielen kann, die es auf dem Gebiet grüner Basistechnologien ja durchaus in der Hand hält? Ist womöglich mehr Protektionismus nötig? Einfache Antworten gibt es hier nicht. Eine weitere Frage steht im Raum: Braucht Deutschlands Energieindustrie Top-Unternehmen einer bestimmten Größe, um im globalen Wettbewerb zu gewinnen? Oder lässt sich auch mit kleineren Firmen eine Spitzenposition erreichen, etwa wenn diese im Verbund agieren? In Ländern wie Frankreich ist man vom Vorteil der Größe überzeugt und fördert nationale „Megafirmen“ nach Kräften. Hierzulande war eine solche Industriepolitik bisher kaum denkbar. Das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft begrenzt die Rolle des Staates. Dennoch: Frankreich wie auch andere Länder verbuchen mit ihrer Subventionspolitik für nationale Champions klare Erfolge. Kann Deutschland davon lernen?

Connectivity – der nächste umkämpfte Markt

Wie geht es jetzt weiter? Es ist unschwer vorauszusehen, auf welches Terrain sich der Kampf um die Spitzenplätze in Markt und Technologie künftig konzentrieren wird. Der Umbau der Energieversorgung steht heute an der Schwelle zu einer neuen Phase: Um das komplexe System von Energieangebot und Verbrauch in eine stabile Balance zu bringen, braucht es flexible Ergänzungskraftwerke und steuerbare Verbraucher. Gleichzeitig müssen Wärme, Elektrizität und Verkehr intelligent vernetzt werden. Damit wird die Systemtechnik zum stärksten Innovationsmotor im Energiesektor. Connectivity heißt das Stichwort, unter dem sich in der deutschen Branche ein dem Projekt Industrie 4.0 vergleichbarer Wandel vollziehen soll: die digitale Verknüpfung und flexible Steuerung des gesamten Energiesystems, vom Offshore-Windpark bis zum Mini-Kraftwerk im Mehrfamilienhaus. Deutschland startet hier aus einer guten Position: Im Bereich komplexer Systemlösungen stehen deutsche Technologien vor allem im Maschinen- und Automobilbau zurzeit unangefochten an der Weltspitze. Allerdings: Auf anderen Gebieten der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) liegt Deutschland gerade einmal im Mittelfeld. Und der Wettbewerb wird zusehends härter: Länder wie China, Südkorea und Indien holen auch in technologisch anspruchsvollen Feldern immer schneller auf.

„Technische Optimierungen sind wichtig. Aber sie alleine reichen nicht. Wir müssen vernetzter denken, in Systemen denken. Das ist die wahre Innovation.“ Alf Henryk Wulf, Vorstandsvorsitzender der Alstom Deutschland AG

Neue Preismodelle: Ausstieg aus dem Solidarprinzip?

Auch gesellschaftlich ist der Systemwandel hin zur vernetzten Energiewelt nicht ohne Brisanz. Wo aus Konsumenten „Prosumer“ oder gar autarke Selbstversorger werden, stellt sich die Frage nach der Mitverantwortung des Einzelnen für die Gemeinschaft neu. Bürger, die mit Solarmodulen auf dem Dach und Erdwärme im Keller ihren Strom- und Heizenergiebedarf selbst decken, sind nicht ohne Weiteres davon zu überzeugen, dass dennoch Entgelte für die Übertragungsnetze zu bezahlen sind. Diese Haltung ist einerseits verständlich. Doch sie bedingt letztlich einen Ausstieg aus dem Solidaritätsprinzip. Wie aber soll der Staat die Basis für wirtschaftlichen Erfolg und Prosperität sichern, wenn sich die Bürger nicht an den Lasten beteiligen? Die Suche nach neuen Preismodellen und Tarifstrukturen in der Energieversorgung wird vor diesem Hintergrund auch nicht einfacher. Klar ist: Das Individualinteresse sollte stets mit dem Gemeinschaftsinteresse ausbalanciert werden. Doch nicht jeder Zielkonflikt dürfte hier lösbar sein. Aktuell diskutierte Konzepte wie die Flatrate für den Energieverbrauch mögen für den Einzelnen von Vorteil sein. Mit der Vision der Smart Grids, bei denen Erzeugung und Verbrauch detailliert erfasst und im Sinne des Gesamtsystems gesteuert werden, lassen sie sich kaum vereinbaren.

„Wir brauchen Konzepte und Strukturen für Energie 4.0, die neue, digital vernetzte Energiewelt. Die Talente, die dies beherrschen, werden überall gesucht – ob es um die Energieversorgung geht, um das Internet der Dinge oder das vernetzte Auto.“ Dr. Sven Michaelis, Egon Zehnder, Hamburg

Es fehlt der Mut, Executives aus anderen Industrien zu engagieren

Wo stehen die etablierten Energieunternehmen heute angesichts all dieser Fragen? Sind sie gerüstet, ihre Stärken in klassischen Technologiefeldern mit der geforderten IT-Systemlogik zu verknüpfen? Man muss daran zweifeln. Den meisten Unternehmen fehlt nach wie vor das erforderliche breite Wissen. Es müssten dringend Fach- und Führungskräfte eingestellt werden, die nicht nur in der alten, sondern auch in der neuen, vernetzten Energiewelt zuhause sind – fähige Köpfe, die genügend Offenheit mitbringen, um sich auch auf weniger ausgetretene Wege zu wagen. Doch dazu fehlt ganz offensichtlich der Mut. Trotz des radikalen Umbruchs, in dem sich die Branche befindet, werden nur wenige und meist eher zaghafte Vorstöße auf neues Terrain unternommen. So stellen die Energiefirmen etwa für den Vertrieb oder für Netzdienstleistungen zunehmend auch Fachleute aus dem IT- und Telekommunikations- bereich ein, die eher lösungs- als produktorientiert denken. In den oberen Führungsetagen bleibt man dagegen weiter unter sich. Statt auf frischen Wind zu setzen, werden Spitzenpositionen immer wieder mit Managern aus der eigenen Industrie besetzt. Ein bedenklicher Befund. Denn wer die jetzt geforderten breiten Kompetenzen nicht besitzt, läuft schnell Gefahr, dem Wettbewerb hinterherzuhinken.

„Kaum ein Sektor ist derzeit so wenig durchlässig für branchenfremde Talente und Führungskräfte wie die klassische Energiewirtschaft.“ Dr. Thorsten Gerhard, Egon Zehnder, Stuttgart

Keine Zukunft ohne neue Köpfe

Wie sieht demnach die Perspektive der deutschen Energieindustrie aus? Über das technologische Innovationspotenzial für den Systemwandel verfügt sie zweifellos. Doch wenn Deutschland im Energiebereich Technologie- und Marktführer bleiben soll, wird sich die Branche in Zukunft weit mehr anstrengen müssen als bisher. Es bedarf nicht nur umfangreicher Investitionen. Um gefragte Lösungen anbieten zu können, müssen auch die Märkte besser im Auge behalten werden. Die Gretchenfrage lautet: Sind die deutschen Anbieter in der Lage, aus aussichtsreichen Innovationen konkurrenzfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln – Produkte und Lösungen, die das Zeug haben, sich dauerhaft im Markt zu behaupten? So wie es gegenwärtig aussieht, muss man daran zweifeln. Es fehlen dafür schlicht die richtigen Köpfe. Diese gilt es, für die vor uns liegenden Herausforderungen zu begeistern und zusammenzubringen.

Der CleanTech Roundtable

Im Sommer 2009 rief Egon Zehnder den CleanTech Roundtable ins Leben. Ziel war und ist es, mit der Dialogveranstaltung zu einer stärkeren Vernetzung der Akteure der Energiewende beizutragen. Inzwischen hat sich der Roundtable im Berliner Büro von Egon Zehnder als impulsgebendes Forum etabliert. Er bringt hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Medien sowie von NGOs an einen Tisch, die ansonsten kaum miteinander ins Gespräch kommen. So auch beim diesjährigen CleanTech Roundtable am 4. November 2014.

Ergebnisse vergangener Roundtable-Veranstaltungen:

CleanTech Roundtable 2009
Vom Techniker zum Unternehmensführer – Leadership Development in der CleanTech-Industrie

CleanTech Roundtable 2011
Der hybride Manager – Chance und Herausforderungen in Zeiten der Energiewende

CleanTech Roundtable 2012
Vernetzung – Akteure der Energiewende zwischen Windparks, Hochspannungstrassen und Smart Grids

CleanTech Roundtable 2013
Technologieführerschaft für erneuerbare Energien – wo steht Deutschland?

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