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»Über die Neuerfindung des Selbst«
Erica Ariel Fox setzt in der Führungskräfteentwicklung neue Maßstäbe. Nach ihrer Überzeugung liegt der Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg in einem erneuerten Selbstverständnis von Spitzenmanagern und CEOs.
Egon Zehnder hat mit Erica Ariel Fox in Berlin über ihre Erfahrungen mit Top-Managern, die sie auf der »Reise ihres Lebens« begleitet, gesprochen.

 

Über die ideale Führungskraft (und was sie auszeichnet) ...

Erica Ariel Fox: Ihr ist bewusst, dass sie mehr als ihr Unternehmen, ihr Marktsegment und ihre Bilanz verstehen und steuern muss. Außergewöhnliches Führungsvermögen speist sich vielmehr aus dem Interesse, sich selbst zu verstehen und – als Manager und Mensch – lebenslang weiterzuentwickeln. Sie versteht auch, dass die Zeiten, in denen Ergebnisorientierung und exzellente Geschäftszahlen ausreichten, längst vorbei sind. Mitarbeiter, Kunden und Aufsichtsräte wollen Führungspersönlichkeiten, die wirklich wissen, wer sie sind, die echte Beziehungen wertschätzen und in der Lage sind, Sinn und Orientierung zu stiften und andere zu inspirieren.

Über die Managementwelt von gestern (und was morgen von Managern erwartet wird) ...

Erica Ariel Fox: Früher wurden Top-Manager an Kompetenzen und Ergebnissen gemessen. Strategie, Finanzen, Produktion, Innovation, Marketing und Compliance – das war es, worauf es ankam und worauf die Hochschulen und Business Schools sie im Rahmen einer extrem fachbezogenen Ausbildung vorbereitet haben. Mitunter kümmerten diese sich auch ein wenig um »Soft Skills«, beispielsweise, indem sie Kommunikations- oder Verhandlungskurse anboten. Generell aber fokussierte sich die Vorbereitung für die Arbeitswelt auf die Themen Geschäftsstrategie und Finanztransaktionen. Konkurrenzdenken galt als der Treibstoff für Erfolg.

Im Laufe der Zeit wurden auf diesem Wege in vielerlei Hinsicht bedeutende Werte geschaffen. Heute aber funktioniert dieses Modell nicht mehr. Heute liegt das Augenmerk weit stärker auf den menschlichen Dimensionen von Leadership. Herausragende Führungspersönlichkeiten verbinden klassische Business-Kompetenzen mit menschlichen Qualitäten wie Authentizität und Empathie. Vor allem sind sie neugierig und möchten wissen, was sie antreibt. Der moderne Erfolgstreiber heißt somit Selbst-Reflexion. Und dadurch kommt es zu einer Hebelwirkung, denn eine selbst-reflektierte Führungspersönlichkeit versetzt ihre Organisation in die Lage, einen tiefen Sinn für die eigene Identität zu gewinnen.

Über die Treiber der Entwicklung ...

Erica Ariel Fox: Das Tempo des Wandels wie auch die Komplexität unserer Welt haben außergewöhnliche Dimensionen erreicht. Unser Leben wird heute von Dingen bestimmt, die vor fünf oder zehn Jahren noch nicht auf unserem Radar waren: Big Data. Soziale Medien. Disruptive Technologien. Durch diese unglaubliche Komplexität und die Geschwindigkeit der Innovation ist ein gutes Stück Stabilität verloren gegangen.

Früher wandten sich die Menschen in ähnlichen Situationen an die Institutionen, denen sie vertrauten. Heute haben viele Menschen dieses Vertrauen verloren. Regierungen, Medien und den Kirchen schlägt ein ungekanntes Maß an Misstrauen entgegen. Weil aber die traditionellen Institutionen keinen Halt mehr bieten, erhoffen sich viele von Unternehmensführern Orientierung. Eine herausragende Führungspersönlichkeit spürt dieses Bedürfnis und macht sich auf den Weg. Und natürlich erzielen die besten Vor­standsvorsitzenden und Unternehmensführer hervorragende Geschäftsergebnisse. Gleichzeitig aber greifen sie die Unsicherheit der Menschen auf und gehen darauf ein.

Über ein verbreitetes Management-Missverständnis ...

Erica Ariel Fox: Wenn Spitzenmanagern gewisse Ergebnisse nicht gefallen, tendieren sie dazu, ihre Umgebung verantwortlich zu machen. Sie verstehen nicht, dass solche Ergebnisse ein Resultat ihrer eigenen Handlungen sind und diese Handlungen ihre Haltung widerspiegeln. Die Bereitschaft und Fähigkeit, zu sagen »Meine Einstellung und mein Können haben mich ganz nach oben gebracht, aber jetzt, wo ich an der Spitze stehe, muss ich lernen, über sie zu reflektieren, ja, mich neu zu erfinden« – das verlangt sehr viel Stärke. Aber in ihr liegt der Weg zu wahrer Größe. Ohne Selbst-Reflexion geht es nicht, aber es braucht mehr. Es braucht den Mut, sich einzugestehen, wo man wirklich steht. Der Schlüssel liegt in der Erkenntnis, dass unser Selbst über viele Facetten verfügt.

Über die Notwendigkeit, sich neu zu erfinden ...

Erica Ariel Fox: Unsere Welt erfindet sich gerade neu – und wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir uns selbst ebenfalls neu erfinden. In der heutigen Wirtschaft besteht die große Herausforderung darin, eine Art inneren Weg zu beschreiten, auf dem wir lernen, was Leadership ausmacht. Ich habe diesen Weg »Winning from Within« genannt. Und das bedeutet, wenn sich die Welt um einen herum verändert, sollte man sich selbst auch verändern. Für mich liegt das auf der Hand: Uber holt die Taxis von den Straßen, Hotels verlieren Tag für Tag Marktanteile an Airbnb, Google könnte bald selbst Autofirmen verdrängen. Was geschieht mit Unternehmen, die es versäumen, innovativ zu sein? Um heute wettbewerbsfähig zu bleiben und zu wachsen, müssen Unternehmen sich von überholten Erwartungshaltungen trennen, ihre Identität weiterentwickeln und bereit sein, sich von neuen Perspektiven auf ihre eigene Marke mitreißen zu lassen. Und dasselbe gilt für uns selbst. Der Kern meiner Tätigkeit besteht darin, mit Top-Managern Fragen nachzugehen wie »Wer bin ich?« und »Wer könnte ich werden?«.

Über die Reise des Lebens ...

Erica Ariel Fox: Die Reise ist ein zeitloses Motiv für die Selbst-Erkundung der eigenen Persönlichkeit in ihrer Ganzheitlichkeit, mit all ihren Potenzialen – als Mensch wie auch als Manager. Als Reisende bewegen wir uns in einer paradoxen Situation: Wir brauchen Kühnheit und gleichzeitig Demut, wir brauchen den Willen zum Weiterziehen genauso wie den zum Verweilen. Wir handeln mit Nachdruck, gleichzeitig braucht es aber auch die Geduld, Dinge reifen zu lassen. Der Reisende in uns hält uns in Bewegung und lässt uns nach Rückschlägen wieder aufstehen. Wir passen uns immer wieder neuen Begebenheiten an, stellen uns auf wechselnde Situationen ein. Der Reisende steht also für die Vorstellung, dass jeder von uns Alternativen hat und letztendlich sein eigenes Leben erschafft.

Über die Fähigkeit zur Veränderung ...

Erica Ariel Fox: Kann man sich nach all den Jahren eigentlich noch grundlegend verändern? Meine Antwort ist ein klares Ja! In jedem Alter, in jeder Lebensphase. Und die gute Nachricht ist, dass Neurologen jetzt bestätigen, was Sozialwissenschaftler uns schon lange erzählen: Neuroplastizität bedeutet, dass unser Hirn sich im Laufe unseres gesamten Lebens verändert. Selbst wenn Sie also eine rein wissenschaftliche Antwort haben wollen, basierend auf nüchternen Forschungsergebnissen: Ja, Menschen können sich tatsächlich verändern. Ich habe das tausendmal beobachtet. Alles, was ich mit 25 Jahren Erfahrung und nach drei Jahrzehnten Forschung sagen kann, ist: ja, ja und nochmals ja.

Erica Ariel Fox setzt in der Führungskräfteentwicklung neue Maßstäbe.

Sie ist Autorin des New York Times Bestsellers »Winning from Within«, der in zehn Sprachen  veröffentlicht wurde. Über ihren methodischen Ansatz und ihre Erfahrungen berichtet sie im Harvard Business Review, in Forbes und auf LinkedIn. Erica Ariel Fox unterrichtet Negotiation an der Harvard Law School und berät, zusammen mit ihren Partnern von Mobius Executive Leadership, CEOs und Führungsteams auf der ganzen Welt.

 

Interview: Egon Zehnder ∙ Fotos: Freunde von Freunden/FvF Productions

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